Artikel Zuger Zeitung: Der etwas andere Arbeitsplatz
50 Jahre Zuwebe: Die Zuger Organisation hat Geburtstag. Geschäftsführer Antonio Gallego spricht bei dieser Gelegenheit über die verschiedenen Herausforderungen, eine soziale Institution zu führen.
Vom Eltern-Verein zum Unternehmen mit einem sozialen Auftrag und dem Ziel, Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf in die Gesellschaft zu integrieren: Vor 50 Jahren wurden die Grundsteine für die Zugerische Werkstätte für Behinderte (Zuwebe) gelegt. Das soll das ganze Jahr über gefeiert werden (siehe Infobox). Ein langer Weg liegt hinter der Institution. Ein Weg, der einem stetigen Wandel unterworfen war, sowohl aus fachlicher Sicht wie auch aus wirtschafts- und finanzpolitischer Sicht. Ein «Lifting» nennt Geschäftsführer Antonio Gallego das, was in den letzten vier Jahren in der Zuwebe passiert ist. «Wir haben das Arbeitsangebot überprüft, genauso wie die Prozesse und Abläufe.» Das klingt trocken und ist es wohl auch. Doch es muss sein, Stehenbleiben liegt nicht drin. Der strukturelle Wandel der Wirtschaft übertrage sich «eins zu eins» auf das Unternehmen, erklärt Gallego. Er sei sogar schneller spürbar, weil einfache Arbeiten plötzlich fehlen. Die Auslagerung ins Ausland, der Fortschritt der Digitalisierung und Technologisierung.
Durch den Schritt in die Gastronomie beispielsweise mit dem «Intermezzo» in der Zuger Altstadt oder dem Beizli beim Ziegeleimuseum in Hagendorn sowie durch die Ausdehnung des Angebots in den Bereich Gärtnerei und der Unterhaltspflege habe man das versucht, so Gallego. Seit vier Jahren führt der Aargauer die Zuwebe. «Es ist uns gut gelungen», findet er. «Das soll nun gefeiert werden.» Denn die Zuwebe ist vielmehr ein Zuhause für unterschiedlichste Zuger, ein Dach für geschützte und «ungeschützte» Arbeitsplätze, ein Veranstaltungsort von Ausstellungen und Konzerten, ein Zuhause für betreute und selbstständige Lebensformen oder einfach ein Treffpunkt.
Paradigmawechsel: Inklusion statt Integration
Angefangen hat 1967 alles damit, dass sich Eltern von Kindern mit einer geistigen Behinderung zusammengetan haben. Die Kinder hatten die Sonderschule absolviert, es ging um die Frage: «Was jetzt?» Aus persönlicher Betroffenheit wurde daraus ein Verein. «Beim Jubiläum geht es auch um eine Würdigung jener, die das gemacht haben», sagt Gallego bestimmt. Dabei war die Leitung der Zuwebe nicht nur mit den Anpassungen an wirtschaftliche Veränderungen beschäftigt, sondern auch mit fachlichen Entwicklungen. Eben findet mit der UNO-Behindertenrechtskonvention wieder ein Paradigmawechsel statt, erklärt Gallego: Inklusion statt Integration. Das bedeutet, dass Menschen mit einer Behinderung einen vollen Anspruch auf die Teilhabe haben. Konkret heisst das: nur so viel Betreuung wie nötig und so viel Selbstständigkeit wie möglich. «Auch in diesem Bereich gibt es finanzpolitische Überlegungen», Gallego spannt den Bogen zurück und erklärt: «Je selbstständiger ein Mensch ist, desto weniger Betreuung benötigt er, was sich auch auf die Kosten auswirkt.» Für die Klienten – unter dem Begriff werden alle Bewohner und Arbeitnehmer mit einer geistigen oder psychischen Beeinträchtigung zusammengefasst – bedeutet das, die Grenzen zwischen «draussen» und «drinnen» sollen möglichst verschwinden.
Es sind komplexe Themen, mit denen sich die Mitarbeiter der Zuwebe und Gallego tagtäglich befassen. Für ihn ist es aber ein «Privileg, hier zu arbeiten». Besonders die Atmosphäre sei ihm von Anfang an positiv aufgefallen. «Die Klienten haben Freude an dem, was sie haben beziehungsweise was sie tun, ohne permanent alles zu hinterfragen», erklärt er. Für ihn, der vorher im sozialpädagogischen Bereich mit jugendlichen Straftätern zu tun hatte, sei das sehr lehrreich gewesen. «Es ist der etwas andere Arbeitsplatz», sagt der 50-Jährige. «Unsere Türen sind offen, im wahrsten Sinne des Wortes.» Das bedeute eben auch, dass die Leute tatsächlich hereinkommen. «Man muss bereit sein, sich unterbrechen zu lassen», lacht Gallego.
Und nun geht es ans Feiern. Das Haus ist bereits geschmückt, die Vorfreude spürbar. Worauf freut sich Gallego denn am meisten? «Ganz klar der neue Imagefilm und der Dokfilm.» Beide seien eine Inspiration und tief berührend. Ganz grundsätzlich sei er aber einfach dem ganzen Team dankbar, was dieses trotz der Veränderungen und der Konsequenzen aus dem eigenen Entlastungsprogramm auf die Beine gestellt habe. Doch auch das Jubiläumsjahr soll ganz im Zeichen der Inklusion stehen: Die Zuger Bevölkerung soll teilhaben am Leben. «Wir wollen zeigen, was wir hier machen», so Antonio Gallego.
Artikel erschienen in der Zuger Zeitung, Verfasst von Carmen Rogenmoser