Artikel in der Zuger Zeitung: Schmudo feiert auch die Zuwebe
Ein ganz normaler Ball am Schmutzigen Donnerstag? Eigentlich schon. Die Zuwebe feierte den Fasnachtsstart in ihrem Hauptsitz in Inwil. Vielleicht etwas nüchterner als andere – und doch irgendwie ausgelassener.
Am Schmutzigen Donnerstag ging es in der Zuwebe, dem Zuger Verein für Arbeit und Wohnen für Menschen mit Behinderung, noch verrückter zu und her als sonst. Die Betreuer und Klienten des Vereins feierten zusammen mit Gästen und Angehörigen am hauseigenen Fasnachtsball den fünfzigsten Geburtstag der Zuwebe. Das Motto des Balls: "Crazy Happy Birthday". Allein das hätte wohl schon gereicht, dass sich so mancher hier ins Zeug legt für sein Kostüm. Doch obendrauf gab es auch noch einen Wettbewerb für die beste Verkleidung des Abends. Und so schob sich kurz vor dem ersten Auftritt der Guggenmusig Susoschmöcker langsam, aber unaufhaltsam eine riesige menschliche und mehrköpfige Geburtstagstorte den Gang hinunter Richtung Ballsaal.
Die Aufregung der vielen Menschen mit Behinderung, die sich extra in ausgeflippte Kostüme geworfen haben, liegt in der Luft. "Sie freuen sich alle schon lange auf heute. Und das Tolle ist, dass bei uns die Stimmung schon von Anfang an ganz oben ist", schwärmt Jeannine Villiger. Sie arbeitet als PR-Verantwortliche bei der Zuwebe und ist heute mit silberner Maske, Kostüm und Kamera unterwegs.
Ein Höhepunkt im Jahreskalender
Im Unterschied zu "normalen" Fasnachtsbällen, wo erst literweise Alkohol durch den Festsaal fliessen muss, kommen die Menschen hier ganz von sich aus aus sich raus. "Für viele ist die Fasnacht immer ein Highlight im Jahreskalender, und so freuen sie sich schon weit im Voraus auf den Schmutzigen Donnerstag, mit dem grossen Fasnachtsball und dem Besuch von Guggenmusig und der Fröschenzunft", sagt Villiger.
Während sich der Saal, in dem sonst das Personalrestaurant der Zuwebe liegt, füllt, treffen die Susoschmöcker ihre letzten Vorbereitungen für ihren Auftritt. Gegründet wurde die Guggenmusig vor 27 Jahren von einigen Betreuern der Zuwebe. Ein Jahr darauf beschloss man, auch Menschen mit einer Behinderung aufzunehmen. Jedes Mitglied mit einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung hat eine Betreuungsperson als Götti oder Gotte. Diese unterstützt ihn bei den Proben und hat ein Auge auf ihn, wenn sie auswärts an Bällen und Umzügen spielen. "Es ist wahnsinnig toll, dass wir zusammen eine Gugge haben", findet Margrit Hergerbüsch. Sie ist eine der Gotten der Susoschmöcker. "Es ist ein wichtiger Schritt zur Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Gesellschaft. Mit der Guggenmusig nehmen wir an Umzügen teil und sind da unterwegs, wo das Leben stattfindet."
Nicola Aufdermauer ist einer der Menschen mit Behinderung, die bei den Susoschmöckern für den richtigen Groove sorgen. Der 20-Jährige spielt "Chuchi" und steht in seinem Cowboy-Outfit bereit für den Auftritt. "Nein, nervös bin ich gar nicht" meint er. "Auf alle Fälle nicht mehr so nervös wie letztes Jahr", neckt ihn eine Kollegin, und Aufdermauer läuft ein wenig rot an. Er arbeitet auf einem Bauernhof, wo er die Esel und Kühe füttert und melkt. Auch Abduvali Numanov freut sich auf den Abend: "Wir werden spielen und tanzen und nochmals spielen und essen und Spass haben." Das klingt nach einem guten Plan. Der Präsident der Susoschmöcker, Urs Bühler, sieht das ähnlich und dirigiert die gut gelaunte Meute langsam Richtung Ballsaal. "Die Grenzen zwischen denen, die wir als normal betrachten, und Menschen mit einer Behinderung sind fliessend. Und es lohnt sich, diese manchmal zu hinterfragen."
Die Betreuer der Guggenmusig haben nicht alle eine fundierte Ausbildung als Sozialpädagoge. "Aber wir arbeiten alle in der Zuwebe und haben dadurch unsere Erfahrung in der Begleitung von Menschen mit Behinderung", erklärt Bühler. Er selbst arbeitet als Koch für die Zuwebe. Unter anderem auch im Café Intermezzo, das die Zuwebe beim Kolinplatz führt.
Viele weitere Auftritte
Die Susoschmöcker haben diese Saison noch Auftritte in Affoltern am Albis, Greppen, Seewen und anderen Ortschaften in den umliegenden Kantonen. Das sind mal Kinderumzüge, mal Fasnachtsbälle und mal Bälle von anderen Institutionen für Menschen mit Behinderungen. "Probleme gibt es dabei nie. Im Gegenteil, die Begegnungen zwischen unseren Mitgliedern und den anderen Fasnächtlern sind eher durch Neugier und Offenheit auf beiden Seiten geprägt."
Wer die Susoschmöcker unterstützen will, kauft eines der kleinen Gadgets, die sie anbieten. Etwa eine Trinkflasche zum Umbinden oder eine Schachtel Bonbons. So können sie sich ihr nächstes Gwändli finanzieren. "Das ist für das Jahr 2019 geplant, da haben wir unser 30-Jahr-Jubiläum." Bis dahin behalten sie aber noch ihre roten Cowboyhemden und die braunen Lederhüte, spielen, haben Spass, und spielen noch einmal.
Artikel erschienen in der Zuger Zeitung, Verfasst von Wolf Meyer